10d taucht in Mannheimer NS-Zeit ein

Was hat das mit mir zu tun? So lautet der Titel der im Dezember eröffneten interaktiven Dauerausstellung im „Marchivum“ – des Mannheimer Hauses der Stadtgeschichte und Erinnerung. Die Frage fordert unmittelbar auf, gesellschaftliche Kontexte zu hinterfragen und Position zu beziehen. Leicht lässt sich eine Brücke zum dritten Reich und dem Holocaust schlagen. Wer Antworten zur Zeitgeschichte sucht, erhält sie im Mannheimer Stadtarchiv und außerdem viele Anregungen zum Nachdenken. Die Ausstellung zeigt nicht wie ein Museum originale Gegenstände hinter Vitrinen oder an Wänden, sondern aufwändig digitalisiertes Quellenmaterial. Dieses wird den Besuchern in sehr beeindruckender Weise multimedial aufbereitet gezeigt. Das Archiv möchte gleichzeitig ein lebendiger Lern-, Erlebnis- und Forschungsort für die Öffentlichkeit sein.

Der geführte Rundgang durch zwei Museumspädagogen leitete die Schüler*innen der Klasse 10d zeitlich gesehen durch die Weimarer Republik, die 1930er Jahre hinweg, zum Zweiten Weltkrieg und bis in die Gegenwart, immer mit Blick auf die stadtgeschichtlichen Entwicklungen. Zu sehen war vielfältig aufbereitetes Material, oft in riesigen Formaten projiziert, welches eindringlich wirkte. Besonders betroffen machten persönliche Lebensschicksale, die Täter und Opfer gleichermaßen zeigten. Auch schwierige und komplexere historisch-gesellschaftliche Sachverhalte wurden ansprechend dargestellt, so dass die Schüler*innen sie unmittelbar erleben und gut nachvollziehen konnten.

Besonders im Gedächtnis blieben sechs durch Schauspieler nacherzählte Kurzbiographien, die geschickt mit originalem Fotomaterial verwoben wurden. Mannheimer Mitglieder und Gegner des NS-Regimes erzählten, wie sie das Jahr 1933 empfunden hatten und welches Schicksal ihnen widerfahren war. Auch die Installation zur gewaltsamen Vertreibung jüdischer Badegäste durch die SS und SA aus dem Rheinbad 1935 und der Gang über einen zersplitterten Glasboden, der zum Progrom 1938 in Mannheim führte, machte vor Betroffenheit sprachlos.

Anschaulich wurden die vierziger Jahre dargestellt, in denen die deutsche Wirtschaft immer stärker auf den totalen Krieg ausgerichtet war. Nahezu alle Mannheimer Unternehmen arbeiteten für die Rüstungsindustrie. Es wurde gezeigt, wie die Produktion durch den massenhaften Einsatz ausländischer Zwangsarbeiter*innen am Laufen gehalten wurde, die unter widrigsten Bedingungen wie Sklaven missbraucht wurden. Diese stellten auch den riesigen Bunker fertig, indem sich heute das Stadtarchiv befindet.

Am Ende bot die Ausstellung für die Schüler*innen in einem eigens dafür installierten Raum ein Quiz. Intelligent war die Idee, die Ausstellung künstlerisch mit einer riesigen kolorierten Grafik im Streetartstil enden zu lassen, die das friedvolle Zusammenleben in Vielfalt in Mannheim darstellt – ein stummer Impuls, Demokratie zu leben und sie zu wahren.

Die Exkursion führte Anna Günther im Rahmen des Faches Geschichte durch. Sie unterrichtet in der Klasse unter anderem auch die Fächer Deutsch und Gemeinschaftskunde und besuchte mit den Jugendlichen bereits die KZ-Gedenkstätten Sandhofen und Natzweiler-Struthof, um Geschichte möglichst erfahrbar zu machen. Gemeinsam mit ihrem Co-Klassenlehrer Nico Lindenthal steht im Januar eine Klassenfahrt nach Berlin bevor, auf der sich die Gruppe weiter auf den Spuren der deutschen Geschichte bewegen wird.

Nico Lindenthal